Du bist da aber bis dennoch nicht da

Eine alte Frau saß auf einer Bank, als ein kleines Mädchen sich zu ihr setzte. Das kleine Mädchen fragte: „Kannst du mir eine Geschichte über das Leben erzählen?“

Die alte Frau antwortete: „Wer bist du denn?“

Das kleine Mädchen fragte erneut: „Kannst du mir eine Geschichte über das Leben erzählen?“

„Sag mir doch, wer du bist,“ drängte die Frau.

„Ich bin du,“ sagte das Mädchen.

„Wie kann das sein? Du bist ich, und du fragst mich, ob ich dir eine Geschichte über das Leben erzählen kann? Kannst du das nicht?“ erwiderte die Frau verwundert.

War das alles nur ein Traum? Oder war es Wirklichkeit, dass ein kleines Mädchen auf der Bank saß und behauptete, sie sei die alte Frau? Wie konnte das sein?

Nach einer Weile sagte die alte Frau schließlich: „Ich kann dir viele Geschichten über das Leben erzählen. Ich habe schöne und traurige Momente erlebt und bin dabei langsam älter geworden.“

Das Mädchen lachte und sagte: „Du bist nicht älter geworden, nur die Zeit hat sich verändert, und du hast dich mit der Zeit verändert.“

„So kann man das sehen,“ stimmte die ältere Frau zu. „Aber möchtest du mir nicht sagen, wer du bist?“

Das Mädchen antwortete wieder: „Ich bin du.“

Die Frau verstand das einfach nicht. Wie konnte das kleine Mädchen so etwas sagen? Sie kannte es doch gar nicht. Die alte Frau hatte das Mädchen zum ersten Mal gesehen.

„Möchtest du mir nicht mehr aus deinem Leben erzählen?“ fragte das Mädchen.

„Am schlimmsten waren die Kriegszustände, die ich in meiner Kindheit erlebt habe. Ich wünsche niemandem, dass er solche Situationen durchleben muss, ob in der eigenen Heimat oder anderswo. Meine Kindheit habe ich kaum richtig erleben können. Ich hatte nur einen selbst gebastelten Teddy von meiner lieben Mutter, den ich überallhin mitnahm. Unser Vater musste in den Krieg ziehen. Wenn er es nicht getan hätte, hätten sie ihn gleich erschossen. Er hatte keine Wahl, er musste sich den Situationen stellen, auch wenn er es nicht wollte. Er war dagegen, aber was konnte er gegen die Machthaber tun, die diese Zustände auferlegten? Auch seine Kameraden wollten so schnell wie möglich, dass diese Zustände sich ändern, damit sie endlich wieder ihr eigenes Leben leben konnten. Sie waren zu Kanonenfutter geworden, unter Gewehrfeuer ausgesetzt, und konnten kein eigenes Leben mehr führen. Immer war da die Ungewissheit, ob die Familie noch lebt.

Auch wir hatten ständig Angst um unsere Väter an der Front. Viele Kinder hatten Angst um ihre Väter, und verliebte Paare, die durch den Krieg getrennt wurden und eigentlich eine Familie gründen wollten, konnten es nicht. Sie wurden durch die Verhältnisse daran gehindert, ihr eigenes Leben zu leben, weil sie mit schweren Waffen kämpfen mussten.

Ich hatte immer meinen kleinen, selbstgemachten Teddy dabei, der mich tröstete, wenn ich an Zuhause denken musste. Einmal, als wir im Bus saßen, liefen viele Menschen auf der Straße. Vor ihnen stand ein Bahnsteig, wo ein Zug wartete. Ein Junge sagte: ‚Diese freien Menschen werden ins KZ verschleppt.‘ Ich wusste nicht, was ein KZ war, bis ich nach dem Krieg die Orte sehen konnte, in denen die freien Menschen eingesperrt, gequält und gefoltert wurden. Sie wurden zur Wissenschaft missbraucht und schließlich in Öfen verbrannt.

Mein Leben war zerstört, und ich versuchte später, neu anzufangen, aber die Erinnerungen an die Traurigkeit meiner Kindheit zogen sich durch mein ganzes Leben. Auch heute hört man wieder von kriegerischen Handlungen, die das Leben so vieler Menschen zerstören. Familien leiden darunter, egal, auf welcher Seite sie stehen, ob es die Familie ist, gegen die gekämpft wird, oder die Familie, die Männer und Frauen zur Armee schickt. Viele Kinder haben Angst, ihre Eltern nie wieder lebend zu sehen. Ich weiß, wie es damals war, mit meinem Vater. Ich hatte immer Angst, ihn nie wieder zu sehen. Diese Szenen habe ich noch immer in mir, auch wenn ich mich nicht mehr in diesen Umständen befinde.

Manchmal wache ich aus Albträumen auf, nassgeschwitzt und weinend, und sehe mich wieder als Kind in diesen Zusammenhängen. Auch wenn die Zeiten längst vorbei sind, bin ich immer noch dort, weil ich verschiedene Abschnitte zu verschiedenen Zeiten erlebt habe. Ich war ein Teil des Lebens damals und bin es heute noch. Darum sage ich immer wieder: Du bist da, aber auch nicht da, wo das Leben gerade ist, weil das Leben nur in verschiedenen Etappen verläuft, in denen wir gerade sind oder nicht sind.“

Das Mädchen auf der Bank hörte weiterhin gespannt zu, während die alte Frau sprach. „Möchtest du mir nicht endlich sagen, wer du bist?“ fragte die alte Frau.

„Ich bin du, nur ich bin noch das kleine Mädchen, das du damals warst, aber heute nicht mehr bist. Dein Leben hat sich in verschiedene Phasen gewandelt. Du bist da, aber dennoch nicht da,“ sagte das Mädchen.

„Du hast recht,“ sagte die ältere Frau. „Wir sind immer nur in verschiedenen Abständen an einem Ort, und dann sind wir nicht mehr dort. Genauso wie unser freier Geist, der die Entscheidung hat, entweder im gleichen Muster zu bleiben oder in verschiedene andere Muster zu wechseln. Wir haben vielleicht das Wissen des Verstandes, aber wir haben auch die Freiheit, unseren Geist zu entfalten. In diesem freien Geist können wir in Überlegungen sein, die wir vielleicht später hinterfragen oder neu entdecken.“

Das Mädchen lächelte die alte Frau an. „Ja, du hast vollkommen recht. Aber trotzdem, wenn ich mir die Geschehnisse der Vergangenheit anschaue, sehe ich, dass unter anderen Regimen, die sich sogar sozialistisch nennen, immer noch Grausamkeiten geschehen. Was nützen die Namen, die wir den Kontinenten geben, wenn das Leben darin kein Leben ist? Es ist schwierig für jedes Geschöpf, seinen Lebensweg zu folgen, wenn es in Situationen gerät, die es nicht selbst gewählt hat. Damals wie heute leiden Menschen unter den Entscheidungen anderer, die sie in diese Phasen des Lebens bringen, in denen sie nicht wirklich frei entscheiden können.“

Das Mädchen fügte hinzu: „Das Leben wartet nicht. Es geht weiter, und so wie du viele Phasen erlebt hast, in denen du dein Leben hättest leben können, wurden dir diese Phasen schon in deiner Kindheit genommen.“

„Wie recht du hast,“ sagte die alte Frau. „Und deshalb bist du hier. Ich möchte dich umarmen und dir sagen, dass du immer ein Teil von mir geblieben bist. Ich bin das Mädchen, das immer noch in dir wohnt.“

Die Frau verstand nun, was geschehen war. Irgendwie musste das kleine Mädchen, das in ihr lebte, sich neben sie auf die Bank gesetzt haben und mit ihr gesprochen haben. Es spielt keine Rolle, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist – das kleine Kind lebt in jedem, der älter geworden ist. Auch wenn man nicht mehr dort ist, wo man einmal war, lebt es in einem weiter, egal, wie weit man auf dem Lebensweg vorangeschritten ist.

Die Eltern der alten Frau waren längst gestorben, aber die Erinnerungen lebten weiter, ebenso wie die Spuren des Lebens, die von ihren Eltern und der göttlichen Schöpfung hinterlassen wurden. Auch wenn man nicht immer physisch da ist, bleibt das Leben ein Teil von einem. Man kann an einem Ort gewesen sein, oder man kommt erst später dorthin, in eine andere Phase des Lebens. Jedes Geschöpf lebt in verschiedenen Phasen seines Lebens, manchmal da, manchmal nicht da, oder kommt später dorthin. So steht das Leben zwischen Anfang und Veränderung, bleibt aber immer im Ursprung und hat die verschiedensten Möglichkeiten, woanders zu sein.


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Das Leben in den Phasen der Zeit


I.


Wundervoll eingefangen

von den verschiedensten Mustern der Zeit,

wo das Leben schon einmal war,

wo es sich vielleicht noch in den Phasen

der neuen Zeit entwickelt,

die heute noch gar nicht erreicht sind.


Veränderungen im freien Geist,

das Leben bleibt frei, solange

es die Freiheit bewahrt.

Doch wenn das Leben sich selbst

unter verschiedenen Zuständen findet,

ist es manchmal nicht mehr frei.


Zwischen den Mustern der Gestaltungen,

die in der Erwartung stehen,

zeigt sich das Leben und offenbart,

was es im Innersten birgt.

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II.


Was für eine Erkenntnis,

die alte Frau erlebte,

als das kleine Mädchen

auf der Bank saß

und keine Antwort erhielt.


Das Mädchen war die alte Frau selbst,

die Stimme der Vergangenheit,

ein Echo der Zeit,

das sie einst war,

aber nun in anderen Phasen lebt.


Dieses Erlebnis hätte auch einem Mann

widerfahren können,

dass ein Junge auf der Bank sitzt

und sagt: „Ich bin du,

der kleine innere Junge,

der immer noch da ist.“

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III.


Die alte Frau erzählte Geschichten

aus ihrem damaligen Leben,

doch wusste sie nicht,

dass das Mädchen in ihr

so viel gemeinsam hatte.


Die Liebe zu Mutter und Vater,

die Schwierigkeiten der Familie,

die durch die Zeit gezeichnet wurden,

als die Regierung ihr freies Leben nahm

und sie sich den Umständen beugen mussten.


Erkenntnisse kamen durch den freien Geist,

wahrgenommen auf der Bank,

als das Mädchen sich setzte,

um die alten und neuen Phasen

des Lebens miteinander zu verbinden.


………………………….

I. Der innere Junge


Dieses hätte natürlich auch

einem Mann passieren können,

dass ein Junge auf der Bank sitzt,

und der Mann fragt, wer

der Junge eigentlich ist.


Und der Junge sagte:

„Erzähl mir mal eine Geschichte aus deinem Leben.“

Später hätte der Junge gesagt:

„Ich möchte dich wissen lassen,

dass ich immer noch der kleine innere Junge bin,

den du damals in dir selber warst.

Egal welches Alter du auch erreicht hast,

ich bin immer noch da.“

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II. Das gemeinsame Leben


Die alte Frau erzählte Geschichten

aus ihrem damaligen Leben

und wusste noch gar nicht,

dass das kleine Mädchen

eigentlich sehr vieles

in seinem Leben mit der alten Frau gemeinsam hatte.


Denn sie war ja

der Teil des inneren kleinen Mädchens,

gezeichnet vom Leben,

wie sie immer noch genauso war,

wie damals als kleines Mädchen.

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III. Die Wurzeln des Lebens


Die alte Frau dachte an

ihre liebe Mutter und ihren lieben Vater zurück,

denen sie das Leben zu verdanken hatte.

Und dann an so viele Schwierigkeiten,

die die ganze Familie gezeichnet hatten,

weil die Regierung über sie so hereinbrach.


Dass sie ihr freies Leben

darin aufgeben mussten

und sich diesen Situationen

so anschließen mussten,

um es selbst zu akzeptieren.


In den Umständen der Zeit gefallen zu sein,

ohne ihr eigenes freies Leben

nach ihrem Sinne

selbst weiterführen zu können.

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IV. Erkenntnis auf der Bank


Aber es war richtig interessant,

wie die Erkenntnis kam,

durch den freien Geist,

sich selbst als kleines Mädchen

auf der Bank wahrzunehmen.


Natürlich hätte es auch,

wenn sie ein Junge gewesen wäre,

ein älterer Mann auf der Bank sein können.

Aber nun war es eine alte Frau,

die den freien Geist des Lebens

in der Gestalt des kleinen Mädchens kennenlernte,

das sich auf die Bank setzte.

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V. Anwesenheit und Abwesenheit


Schon mal da gewesen,

aber zurzeit nicht mehr

an diesem Ort,

noch nicht da gewesen,

aber vielleicht zu einem späteren Augenblick.


Die Situationen sind nicht abhängig davon,

wo wir waren oder wo wir einst sein werden,

sondern von den verschiedensten Gegebenheiten,

wie sie sich unter den verschiedensten Lebenssituationen

hineingestellt haben.


Und so sind wir da und doch nicht da,

oder erst zu einem späteren Augenblick,

dort, wo wir vielleicht gerade

noch gar nicht sein können.

………………..

VI. Die Unabhängigkeit des Geistes


Diese Erkenntnisse hatte sich

die ältere Frau noch nicht

durch den Kopf gehen lassen,

wie unabhängig sie eigentlich war,

und dass es die verschiedensten Zustände waren,

in die sie hineintrat,

aber auch wieder hinaustreten konnte.


Die Phasen der Richtungen

von den verschiedensten Situationen abhängen,

unter denen das Leben selbst

gerade seinen Zustand hat.

………………….

VII. Der freie Geist


Sogar der freie Geist konnte darin

noch nicht wissen,

wie er später mit dem Leben selbst

darin umgehen würde.


Die Lebensphasen erleben,

der freie Geist wandert

zwischen diesen verschiedenen Phasen,

im Erwachen seiner Muster,

in denen er vom Leben selbst

getragen wird.


Darum manifestierte sich auch

erst die Situation mit dem Zusammenhang,

in dem sie gerade da war,

oder auch noch nicht da war,

aber zum späteren Zeitpunkt

doch da sein konnte.





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